Was tut sich politisch in Penzberg? Auf Aktuelles und Themen finden Sie, was uns derzeit bewegt.

Zur Innenstadtgestaltung und zur finanziellen Situation der Stadt Penzberg - Erläuterungen unter Themen

Jetzt braucht es Inter-esse im wörtlichen Sinne:
Dazwischensein, Dabeisein, Teilnehmen

Drei Wochen vor der Bundestagswahl sieht es düster aus: Die Bevölkerung steht noch immer unter dem Schock der Ereignisse von Magdeburg und Aschaffenburg, die ukrainischen Menschen in unseren Gemeinden sorgen sich wegen des Vorrückens in der Ostukraine, „drüben“ sorgt der neue amerikanische Präsident seit zwei Wochen für eine nicht endende Serie verstörender Amtshandlungen, in Berlin setzt derweil eine der großen Volksparteien das demokratische Miteinander aufs Spiel – und vor Ort vernehmen wir, dass eine rechtsextreme neonazistische Gruppierung unsere Islamische Gemeinde Penzberg verunglimpft und bedroht. Düster sieht es aus, im Großen wie im Kleinen.

Was kann man da noch tun?  Die einen bereiten eine Demo vor: Sie startet am 15. Februar statt um 14 Uhr vor dem Rathaus, das Motto: „Vereint in Vielfalt und Toleranz. Für Demokratie, gegen Ausgrenzung“. Die anderen kommen spontan zusammen, um die jüngsten Anfeindungen gegenüber den muslimischen MitbürgerInnen zu verurteilen und ihnen ihre Solidarität zu zeigen. Kurz vor dem Freitagsgebet an diesem 31. Januar tritt Imam Benjamin Idriz vor die Moschee und dankt den Gekommenen für die Bezeugung von Freundschaft und Unterstützung. Bei ihm sind der bayerische Integrationsbeauftragte Karl Straub, Bürgermeister Stefan Korpan und Pfarrer Bernhard Holz, die später vor der Predigt kurze Ansprachen halten. Fast ein wenig ratlos steht man zunächst beieinander. Und doch zeigt dies das Wesentliche: Man steht zusammen. Gegen den Versuch, Menschen zu entzweien.

Die Moschee ist an diesem Tag mit 250 Teilnehmenden weniger stark besucht als sonst. Etliche sollen aus Vorsicht nicht gekommen sein. Das allein sagt viel. In seiner Predigt ordnet der Imam die jüngste Hetze ein in die aktuell aufgeladene politische Diskussion über Migration. Er erinnert dabei an die Entstehungsgeschichte der eigenen Gemeinde, mahnt Wertschätzung an für die vielen unauffälligen MitbürgerInnen mit Migrationshintergrund und warnt vor einer Instrumentalisierung von Gewalttaten. Vor allem aber macht er die Doppelsinnigkeit bewusst, einerseits zum 80. Mal des Holocaust zu gedenken und andererseits einer Spaltung der Gesellschaft noch nicht genug entgegenzusetzen. Fehlende Abwehr beginne mit dem „Wegsehen der Gesellschaft“. In Penzberg dagegen sehe man zum Glück nicht weg.

Seine Rede zeigt gut, dass die laufende Debatte – die zeitgleich im Bundestag als erbitterter Schlagabtausch vor der Abstimmung über ein Migrationsgesetz geführt wird – nur ein konkretes Thema liefert für das, worum es wirklich geht, das Auseinanderdriften von BürgerInnen wie auch ihrer Vertretungen, der Parteien. Etwas ist verloren gegangen in der Mitte. Man könnte es das Interesse nennen. Das Wort kommt vom lateinischen „inter-esse“, dazwischen sein, dabei sein, teilnehmen. An einer der Demos teilnehmen, die seit dem unsäglichen Potsdamer Treffen vom November 2023 stattfinden, das ist ein Schritt des Dabeiseins. Demnächst im Februar zur Wahl zu gehen, das ist ein nächster Schritt.

Aber wir brauchen noch mehr, um unsere Demokratie gegen die Zunahme rechter Kräfte zu verteidigen. Wir brauchen Menschen, die wirklich teilnehmen an den politischen Prozessen. Menschen, die nicht meinen, dass Politik für sie gemacht wird und sie per Zeitung oder Bildschirm diese nur konsumieren und beurteilen brauchen. Sondern Menschen, die bereit sind, sich kompetent zu machen und mitzuhandeln. Gegen Stimmungen, die populistische Kräfte anheizen, helfen nur Stimmen, die sich gut informiert Gehör verschaffen. Gegen eine Politik, die von Empörung lebt, brauchen wir eine Politik, die von Interesse lebt.

Die Wählergruppe „Penzberg Miteinander“ ist 2019 entstanden, weil viele unzufrieden waren mit der kommunalpolitischen Entwicklung. Im damals frisch erschienenen Buch „Abschied vom Abstieg. Eine Agenda für Deutschland“ von Herfried und Martina Münkler heißt es an einer Stelle: „Das Desinteresse der Bürger an politischen Aufgaben ist für die Demokratie ebenso gefährlich wie die Intrigen und Machenschaften derer, die sie zerstören wollen.“ (S. 293). Um interessierte TeilnehmerInnen zu gewinnen, ist es uns wichtig, Themen zu erklären, Entscheidungen transparent zu machen und MitbürgerInnen einzubeziehen.

Denn unser politischer Gegner sind nicht Parteien, auf die sich unsere breit gefächerte Gesellschaft aufteilt. Mit ihnen haben wir die Aufgabe, gute politische Lösungen zu finden. Unser politischer Gegner sind vielmehr diejenigen, die uns auseinandertreiben wollen, um Gespräche zu verhindern. Je offener und nachvollziehbarer solche Gespräche sind, desto mehr Vertrauen finden sie in der Bürgerschaft, und desto mehr laden sie zum Teilnehmen ein. Nur mit echtem Interesse können wir politisch unsere Demokratie und menschlich unsere Grundwerte verteidigen. Mit echtem Interesse wirken wir gegen Ausgrenzung und Spaltung. Und mit echtem Interesse treten wir für unsere von Vielfalt geprägte Stadt ein.

Mag es auch düster aussehen, unser Inter-esse darf nicht erlahmen.
Denn es geht um Demokratie, um Toleranz, um Menschenrechte.


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