Der Haushalt der Stadt

21. Mai 2024

Der Stadtrat und das liebe Vieh – ein Gespräch über den Haushalt im Grünen

Das mit den Rindern auf Gut Hub, das hat ja immerhin noch geklappt. Aber sonst wird mit dem Umwelt- und Klimaschutz wohl nicht mehr viel laufen, oder?“

Wenn man neuerdings beim Radeln, Joggen oder Spazierengehen im Grünen jemandem begegnet und auf einen Ratsch stehen bleibt, dann kann es leicht zu dieser Frage kommen.

„Na, das muss man sehen. Richtig ist, dass wir die Stelle vom Umwelt- und Klimabeauftragten erst mal nicht wiederbesetzen können. Aber im Stellenplan bleibt sie drin.“

Wenn das Gegenüber Zeit hat, dann geht es gerne mal wie folgt weiter: „Im Stellenplan. Das heißt, Ihr sitzt noch immer über dem Haushalt 2024? Sag mal: Was macht Ihr da eigentlich die ganze Zeit im Rathaus? Seit Monaten schon?“ „Willst Du das wirklich wissen?“

„Also: Man wundert sich schon. Die Leute reden drüber, dass die Stadt wohl ein Problem hat. Aber was ist denn da los? Arbeitsmarktzulage gestrichen, Gebühren und Steuern raufgesetzt. Wie sieht‘s denn aus?“


In dem folgenden Gespräch geht es um

  • die Frage der Landesgartenschau,
  • die Schulden der Stadt ganz allgemein,
  • die Kostensteigerung beim Bau des Familienbads,
  • die Haushaltsbelastung durch den Wohnungsbau,
  • die Bereiche freiwilliger Leistungen der Stadt,
  • die Gewerbesteuer durch den großen Konzern,

und manches mehr.

„Also, Du willst wirklich wissen, was los ist?“ „Ja, sag schon. Zum Beispiel die Landesgartenschau, kommt die nun, oder kommt die nicht?“ „Die LGS 2028, die sollte schon längst nicht mehr im Gespräch sein, die lenkt nur ab. Wie sollen wir denn bitte eine Landesgartenschau machen, für die wir zwar Förderungen bekommen würden, für die wir aber einfach gar nichts an eigenem Geld haben! Völlig illusorisch! Wir haben seit letztem August eine Haushaltssperre. Und wir haben bis jetzt noch keinen neuen Haushalt. Seit der Sperre ist jetzt schon ein Dreivierteljahr herum, und ich sehe noch nicht, dass wir die Hausaufgabe der Rechtsaufsicht in absehbarer Zeit erledigt haben. Die Aufgabe lautet: Legt uns einen Haushalt vor, der zeigt, dass Ihr langfristig leistungsfähig seid! Langfristig heißt: Haushalt 2024 und dazu die Finanzplanungsjahre bis 2027. Wenn auf lange Zeit zu sehen ist, dass die Schulden abnehmen und wieder Rücklagen entstehen, dann ist es gut.“


„Und die Schulden sind so hoch?“ „Das kann man sagen. Schon vor einem halben Jahr konntest Du in der Zeitung lesen, dass für den Jahresabschluss 2023 ein Kredit von 29 Millionen Euro aufgenommen werden muss. Man hat das dann kurz vor Jahresende anders gelöst und stattdessen den Kassenkreditrahmen auf 18 Millionen Euro erhöht, um fürs erste zahlungsfähig zu bleiben. Aber seither ist die Verwaltung am Rechnen und der Stadtrat am Beraten.“ „Moment. Also Ihr alle zusammen versucht jetzt, die Minus-Millionen für 2024 abzubauen? So etwas macht doch normalerweise die Kämmerei?“ „Die gibt es ja nicht mehr. Es gab mal einen Kämmerer und für den dann eine Nachfolgerin und an deren Seite einen externen Berater. Alle ausgeschieden, weggegangen, abgesprungen. Die Arbeit machen jetzt eine kämmereilose Verwaltung und der Stadtrat.“ „Das ist ja krass. Und wisst Ihr denn, woher die ganzen Schulden kommen? Hat da jemand Mist gebaut?“

„Gute Frage. Mist gebaut? Nein, kann ich so nicht sagen. Aber immer mit viel guten Ideen und noch mehr guter Hoffnung in die Zukunft geblickt, das haben wir getan. Wer kleinere Brötchen bäckt und immer etwas auf die Seite legt, der lebt einfach sicherer. Wir haben zum Beispiel nicht konsequent über Jahrzehnte unsere städtischen Wohnungen durchsaniert oder womöglich energetisch fit gemacht. Stattdessen wurde ein großes Wohnungsbauprojekt aufs Gleis gesetzt, parallel dazu eine Sporthalle saniert, aus einem alten Kulturzentrum ein neues gemacht und noch ein Schwimmbad gebaut. Alles ein bisschen viel aufs Mal. Vor allem wenn dann Unvorhergesehenes dazwischenkommt.“

Unvorhergesehenes? Du meinst Corona?“ „Nein, nicht die Pandemie allein. Das kann man ganz gut am Familienbad sehen.“ „Na, gut, dass Du das direkt ansprichst. Was ist denn damit zum Beispiel? Die 33 Millionen, die sind doch jetzt wohl ein Riesendesaster, oder?“

„Stopp. Nein. Zuallererst mal ist das jetzt eine Riesengaudi für die ganze Familie. Leider aber eben auch eine teure. Beim Spatenstich im November 2019 plante man mit 20 Millionen Euro für Abriss und Neubau, Fertigstellung Dezember 2021. Doch da gab es wohl bereits Probleme mit dem Architekten, von dem man sich im März 2020 dann trennte.


Nach der notwendigen Umplanung war plötzlich von 25,4 Millionen die Rede. Mehr als 5 Millionen Kostensteigerung also durch den Architektenwechsel! Aber ein Zurück war nicht mehr möglich, es waren schon Aufträge für 10 Millionen vergeben. Bei der Grundsteinlegung im November 2020 rechnete man noch immer mit 25,4 Millionen Euro. Damals stand das Leben immerhin schon seit acht Monaten unter dem Eindruck der Pandemie. Die wirtschaftlichen Folgen zeigten sich aber erst ein Jahr später, im Oktober 2021 rechnete man mit 26 Millionen und Fertigstellung im Frühjahr 2023. Bis März 2022 änderte sich an Kosten- und Zeitberechnung nichts.


Zum zweiten großen Sprung im Verlauf des Projekts kam es erst zwischen März und November 2022, diesmal auf 31 Millionen Euro. Grund war der Ukraine-Krieg: Die Energiepreise stiegen, aus der Ukraine und Russland bezogener Stahl wurde zur Mangelware, Bauabläufe verzögerten sich, Anschlussaufträge wurden teurer, die Baustelleneinrichtung musste verlängert werden, der Zeitplan verschob sich. Dass dann im November 2023 zur Eröffnung die Gesamtkosten um 2 Millionen höher lagen als bei den Kostenvoranschlägen, das ist eine fast normale Abweichung.“

„Ein Sprung von 20 auf 33 Millionen, davon 10 Millionen durch falsche Planung und die Folgen des Ukrainekriegs. Der Rest als normale Baukostensteigerung. Aha. Bitter, aber plausibel. Aber das sind doch Kosten, die die Stadtwerke tragen, oder nicht?“

„Na ja, was heißt hier die Stadtwerke? Die Stadtwerke sind doch auch die Stadt. Und wenn die Rechtsaufsicht den Haushalt prüft, dann gefällt ihr eben die hohe Verschuldung dort auch nicht. Es wurde ja nicht allein fürs Familienbad Geld geliehen, da wird auch am Ewigkeitsprojekt „Generalentwässerungsplan“ gearbeitet, also in Kanal- und Straßenbau investiert. Und das ist dann mal keine freiwillige Leistung, sondern Pflicht.“ „Okay, das geht mir zu sehr ins Detail. Noch mal zum Bad: Jeder freut sich drüber. Und die Stadt hat da schon immer ein Defizit getragen, das wird jetzt also wohl höher. Aber wie sieht es beim Wohnungsbau aus? Da wurde doch immer von rentierlichen Schulden gesprochen. Was ist da falsch gelaufen?“

Rentierliche Schulden, ja, so ein Superwort. Das soll einen ruhig schlafen lassen. Auf Anhieb einleuchtend: Du nimmst Geld auf, baust Wohnungen, vermietest sie und kriegst das Geld so auf lange Zeit wieder rein.“ „Also, alles überhaupt kein Problem. Und noch dazu mit Förderungen gesegnet.“

„Na ja, aber so einfach ist es eben nicht. Das Geld lag ja nicht im Portemonnaie, das musste ja auch geliehen werden. Und das ganze Projekt wurde in einer Niedrigzinsphase geplant. Das Problem ist, dass Du die einmal genehmigten Kredite nicht einfach irgendwann als Ganzes aufnehmen kannst, sondern nur nach Baufortschritt. Und wenn es dann passiert, dass zwischen zwei Geldaufnahmen ein gewaltiger Zinssprung liegt, dann hast Du übel Pech.“ „Das heißt, die Stadt hat in guter Hoffnung geplant, dass immer alles so schön bleibt, wie es mal war. Und jetzt hat sie zu dem Geld, was im Laufe der Jahre wirklich wieder reinkommen wird, eine hohe jährliche Belastung durch hohe Zinszahlungen?“ „Ja, ganz genau so ist das. Sehr viel größer ist das Geheimnis gar nicht.“


„Verstehe. Also, dann lass mich mal zusammenfassen: Beim Bad ein höheres Defizit, weil du Dir die Mehrkosten nicht von den Nutzern zurückholen kannst, und beim Wohnbau höhere Schulden, weil die Mieten erträglich bleiben sollen. Und dann hast Du vorhin noch was von freiwilligen Leistungen gesagt. Hat die Stadt da noch andere Posten auf der Liste?“ „Eine ganze Menge sogar. Das ist uns nur allen in den fetten Jahren gar nicht mehr bewusst gewesen. Die Stadt betreibt ein Museum, und sie unterstützt die Musikschule, die Stadtbücherei und die Volkshochschule. Und die Vereine.“ „Die Vereine? Das kann ja nicht viel sein.“ „Leider falsch. Denn 2015 wurde das Gesetz zur Umsatzsteuer verändert. Seither kann eine Kommune nicht mehr einfach Geld für die Nutzung von Räumen und Plätzen nehmen, ohne dafür auch Umsatzsteuer zu zahlen. Die müssen die Vereine also mitzahlen. Und darauf wollten wir sie nicht sitzen lassen.“

„Oh, das ist heftig. Der Staat braucht mehr Geld, holt es sich von den Kommunen, und die wollen ihren Vereinen nicht wehtun.“ „Richtig. Nur: Wir haben einfach keine Töpfe mehr, in denen zu viel drin ist. Wir haben nur noch Töpfe, in denen zu wenig drin ist. Wir werden die Vereine an diesen Kosten beteiligen müssen, gegen die wir uns nicht wehren können. Schlimm ist das nur, weil es uns immer gut ging und wir zugesagt haben, dass wir die Mehrkosten zu hundert Prozent zurückgeben. Das war ein kühnes Versprechen. Aber wir haben eben gedacht, wir können uns das leisten. Wir können uns nur leider immer weniger leisten. Und müssen uns an den Gedanken gewöhnen. Alle.“

„Ja, ja, davon ist mehr und mehr die Rede. Das hört man ja neuerdings an jeder Ecke. Aber uns müsste es doch immer noch ein bisschen besser gehen als anderen. Bei unserer Gewerbesteuereinnahme, mit so einem Megakonzern im Nonnenwald! Wie sagt man da: ein global player?“

„Ob global oder nicht, das spielt hier keine Rolle. Der zahlt einen Betrag x, und davon geht etwas über die Hälfte an den Landkreis. Über den Daumen lässt sich insgesamt gut schätzen, wieviel Geld aus dem Nonnenwald kommt. Und ein Fünftklässler rechnet Dir aus, wie viel davon hier hängen bleibt. Einzige Unsicherheit ist, dass immer erst nach einiger Zeit die Summe exakt berechnet ist, gewöhnlich vorab zu viel gezahlt wird und die Überzahlung dann mit Zinsen rückgezahlt werden muss. Was an den Kreis schon abgeliefert ist, bleibt weg. Fies, aber nicht zu ändern. Das alles ist lästig, erfordert aber nicht viel mehr als die Anlage eines Sonderkontos, welches nur für diese erwartbaren Rückzahlungen da ist. Fertig. Nur einmal, Anfang 2014, gab es diese Schockerfahrung, dass Zahlungen komplett rückgefordert wurden, und ein Jahr später kam nochmal ein Batzen obendrauf: alles in allem satte 53,7 Millionen Euro, dazu noch 6% Zinsen. Acht lange Jahre lang ein Damoklesschwert für die Stadt!“

„Oh ja, ich kann mich gut erinnern. „Gewerbesteuerrückzahlung“: Was das für die Stadt bedeutet hat, war wahrscheinlich weder im Nonnenwald noch im fernen Basel Thema. Muss auch nicht. Das eine ist ein Konzern. Das andere ist eine Kommune. Ich kann nicht eine dicke Kuh melken und mich beklagen, wenn die mal schwächelt. Und wenn dann der andere noch mehr Kühe dazu stellt und mich an der Milch beteiligt, dann muss ich auch mehr Grasland bieten.“

„Gutes Bild – angesichts der Viecher da drüben. Ja, Du hast schon Recht. Wenn zwei so ungleiche Partner eine Verbindung eingehen, besteht die Gefahr, am Risiko beteiligt zu werden. Und gleichzeitig muss man bei steigendem Wachstum auch die Infrastruktur stellen. Und die kostet Geld. Womit wir wieder beim Thema wären, dem Haushalt: Die Versorgung der Familien mit Kindergärten und Schulen ist eine Pflichtaufgabe der Kommune. Du hast es sicher gelesen: Die Kosten für die Schulen und auch für die Feuerwehr , die schieben wir gerade nach hinten. Das geht eigentlich alles gar nicht. Aber was sollen wir tun?“

„Okay, ich sehe schon. Ihr müht Euch da echt ab. Die Rinder da drüben, die finde ich gut. Nach der Landesgartenschau frage ich jetzt nicht mehr. Sag mal, kann man da als Normalmensch auch was tun? Ist Euch zu helfen?“ „Ja, kann man. Das tun, was Du jetzt getan hast: nachfragen, verstehen, mitdenken. Und auch mithandeln.“ „Auch mithandeln? Wo denn genau?“ „Zuerst mal überall da, wo es jetzt eng wird. Sich ehrenamtlich einbringen in Bereichen, die freiwillige Leistungen darstellen etwa. Der Punkt ist doch: Wir werden künftig wieder mehr selbst mit anpacken müssen. Die Viecher da drüben, die tragen jetzt zum Umweltschutz bei. Das war doch vorhin ganz am Anfang unser Thema. Wir müssen als Menschen doch alle eine riesige Aufgabe meistern, es gibt keinen „da oben“, der das für uns erledigt. Und da können wir im Kleinen schon mal anfangen mit unseren Haushaltssorgen. Es gibt auch staatlich oder kommunal kein „da oben“, wo unsere Probleme gelöst werden.“


„War gut, dass wir uns getroffen haben. Manches sehe ich jetzt klarer. Jetzt muss zur Klarsicht auch noch Zuversicht kommen, denke ich. Mhm, woher nimmst Du die denn eigentlich so?“ „Wenn ich sehe, dass alle sich mit besten Absichten für das gemeinsame Ganze mühen, dann gibt mir das Zuversicht. Zukunft hat das alles nur, wenn wir gemeinsam dafür sorgen, dass alle überhaupt noch grasen können, die Großen und die Kleinen, die Alten und die Jungen, so wie die da, die Viecher da hinten.“



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